Radtour in die Weinregion Niagara On The Lake

Heute ist also mein Fitness-Tag. Die Radtour in die Weinregion steht an. Und wieder einmal ist es wärmer geworden. Oliver sagt, wir erwarten etwa 30 Grad. Man sieht also, die optimalen Teperaturen für Weinanbau sind gegeben. Auch wenn viele Offsider sich wundern “Kanada und Weinanbau – in so einem kalten Land”. Nein, gerade hier im Süden sind die Temperaturen vergleichbar wie die Weinregionen Chablis, Burgund oder Champagne. Durchschnittstemperaturen von 16° C im Wachstumszeitraum April bis Oktober. Der Wein wurde ja auch durch einen Deutschen aus der Rheinregion erst nach Kanada gebracht. Am Credit River (auch in Ontario gelegen) wurden die ersten Versuche durch Johann Schiller ursprünglich aus der Rheinregion kommend im Jahre 1811 gemacht. Ontario ist die größte Weinanbauregion Kanadas. Etwa 80 Prozent der Produktionsmengen kommen hier her. Und davon 80 Prozent kommen aus der Region Niagara Wine Country.

Ich fahre nach einem leichtem Frühstück los. Natürlich mit ausreichend alkoholfreien Getränken im Rucksack. Denn nicht nur bei einem Wine-Tasting benötigt man Wasser.

Es wird kein Rennen sondern ein Genuss. Das Fahrrad, welches irgendwie klein aber von der Sattelhöhe noch als gut zu beschreiben wäre, ist eher ein Damenrad. Aber das soll ja für heute reichen. Die Tourenräder waren bereits vergriffen und so bin ich froh, einen Drahtesel zu haben.

Meine Fahrt beginnt an der River Road nordwärts. Schon nach den ersten Kilometern finde ich den Radweg, der mich die nächsten Kilometer Richtung Niagara-On-The-Lake begleitet. Und irgendwie habe ich das Gefühl es geht ständig abwärts. Keine Steigungen. Ich fahre an der Floral Clock vorbei. Eine Uhr, die ein Blumenfeld ist. Herrlich. Hier stehen auch schon viele Autos, aber ich bin wohl der einzige Radfahrer. Und dann auch noch mit einem Canada-Trikot. Aber schon später stelle ich fest, daß wir eine Radgemeinschaft sind. Und so überholt man sich ständig während der Fahrt, die zu mehr als 90 Prozent am Niagara-River entlang führt. Ab Queenstown (ich vermute so heißt dies Ortschaft), geht es mit einem gewissen erwähnenswerten Gefälle für etwa 2,5 Kilometer abwärts. Wie gut, daß die Bremsen funktonieren.

Und nach insgesamt 17 Kilometern erreiche ich die erste Winery. Hier mache ich zwar ein Foto, aber es gibt mehr als 100 Wineries auf diesem Weg und ich möchte ja einen erlebnisreichen Tag und auch anschließend genug Erinnerungsvermögen haben. Wäre auch bei diesen wirklich stetig steigenden Temperaturen richtig. Dann fahre ich bei Innniskillin vorbei, einer der etwas größeren Adressen, die auch eine lange Historie besitzt.

Mein erster Halt führt mich zur Reif Winery. Dabei handelt es sich um einen Winzer, der vor Jahren aus Deutschland (von Neustadt an der Weinstraße) nach Kanada gezogen ist. Eine schöne idyllische Adresse, schon allein einfach um einen Zwischenstopp zu machen. Einer der freundlichen Mitarbeiter erzählt mir die Geschichte und auch die Entwicklung. Die Weine von Reif werden fast zu 100% auf dem kanadischen und amerikanischen Markt verkauft. Wie schade. Denn es handelt sich schon um eine recht gute beständige Qualität, wie ich anhand einer kurzen Verkostung eines Rieslings sowie eines Sauvignon Blancs feststelle. Aber ich werde heute nichts einkaufen. Insbesondere nicht für meine Rückreise. Denn der Wein würde durch die Temperaturschwankung sicherlich auch an Qualität verlieren. Und so bleibt es an diesem Tag bei den Verkostungen. Ich fahre dann weiter an Peller Estates vorbei Richtung Zentrum. Die City ist recht beschaulich. Gemütlich wandern Menschen aus nah und fern herum, besuchen die zahlreichen Weinboutiquen. Überall wird auf Wine-Tastings hingewiesen. Und hier ist man bereits – wie der Name der Stadt sagt – direkt am Ontariosee. Ich mache daher auch mal zwischendurch dort eine Pause. Ich versuche mich ein wenig westlich zu orientieren und dann den Weg zur Niagara-Stone-Road zu finden. Gar nicht so einfach, denn diese Straße hat erst außerhalb der Stadt diesen Namen. Und so drehe ich verwundert ein paar Runden bis mir jemand den Weg erläutert. Dort mache ich dann zunächst das nächste Tasting bei dem Weingut Stratus. Ja, es gibt eine Bodega Stratvs auf Lanzarote, die fantastische Weine herstellt, und auf der eine liebe Freundin von mir im Moment arbeitet, aber dieser Namensvetter ist damit nicht zu vergleichen. Kanada steht einfach für eine andere Spezies von Weinen. Und diese Weine sind ebenso wie die Weine, die mir bislang bekannt sind, sehr elegant und sehr schmackhaft. Schöne Cuvées sind dabei. Vielleicht eine Adresse für die Zukunft. Ich fahre weiter die Niagara-Stone-Road entlang und mache meinen nächsten Zwischenstopp bei der Pillitteri Winery. Die Adresse in Sachen Wein überhaupt in Kanada. Charlie Pilltteri, den CEO habe ich ja bereits zweimal auf der ProWein in Düsseldorf getroffen. Mal sehen, ob ich ihn antreffe. Leider ist er nicht da, aber als ich erwähne, daß ich über Evelyn Wenderoth von Winedelight ihn kennengelernt habe, stellt man mir dafür seinen herzlichen Vater vor. Gary freut sich riesig, daß ich den Zwischenstopp eingelegt habe und spontan arrangiert er eine persönliche Führung, welche durch Matthew einem ebenso netten jungen Angestellten gemacht wird. Fachmännisch erklärt Mattew mir zunächst die Geschichte der Familie, zeigt mir Auszeichnungen aus aller Welt. Und dann geht es durch die Produktionsbereiche. Zunächst entlang der Edelstahltanks, wo die Gährung der späteren Weine erfolgt. Dann in den Barrel Cellar wo auch die Pillitteri Chairs zu sehen sind. Nette, aber immer noch gegenwärtige Anekdoten erzählt er mir. Was bin ich froh, hier zu sein. Denn bei dem nachfolgenden Tasting, welches ich im Beisein von Gary mache, lerne ich meinen neuen Favoriten kennen. Einen Riesling-Gewürztraminer von 2011. Yummie! Den muss ich haben. Wobei er wohl dort noch nicht in Deutschland zu haben ist… Charlies Vater macht mir noch ein Gastgeschenk (einen guten Chardonnay Icewine) und überglücklich gehe ich wieder zu meinem auf dem Parkplatz stehenden abgeschlossenen Bike und setze meine Fahrt fort.

Ich biege ab in die West-East-Street, die mich wieder zum Niagara-Parkway führt. Bei Peller steigt wohl irgendein Weinfest. Aber nachdem ich fast dort angekommen bin, teilt man mir mit, daß es eher eine geschlossene Veranstaltung ist. Wow! Aber soviele Besucher. Kann bedeuten, daß es auch dort gute Qualität gibt. Ich mache auf meiner Rückfahrt noch zwei Stopps. Einen bei Inniskillin, wo ich in die Weißweine tauche. Und zuletzt bei Riverview, einem der ersten Weingüter, die man nördlich von Niagara-Falls kommend, erreicht.

Was ein Tag. Natürlich habe ich – bis auf die Weine bei Pillitteri “spy and drive” gemacht. Ansonsten hätte ich bestimmt jetzt meine Probleme gehabt. Auf dem Weg zurück komme ich in Höhe des Wasserkraftwerkes vorbei, wo ich vier Radfahrer aus der Jugendherberge treffe. Übrigens eine deutsch-kanadische Familie aus Montréal. Uns schmerzt wohl inzwischen allem das Gesaß. Zuvor musste ich auf dieser Steigung zurück in Höhe von Queenstown auch mal absteigen. Wasser habe ich genug unterwegs getrunken und vom Wein habe ich viel neues erfahren. Es lohnt sich wirklich, bei diesen Weingütern vorbei zu sehen. Aber ebenso freut sich jeder der zahlreichen Winzer – über einen Besuch. Wie heißt es so schön: Probieren geht über Studieren.

Etwa gegen 17:30 Uhr erreiche ich zusammen mit dem Vierergespann die Jugendherberge. Ich gebe das Rad und die Schlüssel für das Fahrradschloss zurück. Und ab geht es unter die Dusche. Diese Tour wird mir bestimmt morgen in den Knochen stecken. Aber darum mache ich auch heute noch den Fussmarsch zu den Fällen. Denn für heute ist ein Feuerwerk angesagt. Zunächst gibt es wieder diese “Illuminazione” und pünktlich um 10 Uhr abends beginnt das Feuerwerk. 10 Minuten dauert es in etwa. Einen Großteil habe ich mit meiner Kamera festgehalten. Und ich hatte einen super Standort. Von den Horseshoe-Falls konnte man alles super sehen, da das Feuerwerk irgendwo in der Höhe von der Brücke (für die Pkws) zwischen USA und Kanada gezündet wurde.

Noch einmal vier Kilometer zurück und ich falle sofort ins Bett. Mal sehen, ob ich morgen Muskelkater habe oder nicht.